Der Einmarsch Russlands in die Ukraine macht fassungslos. Krieg mitten in Europa, Tausende Menschen sind auf der Flucht, eine humanitäre Katastrophe steht bevor. Auch die Wirtschaft ist von der aktuellen Lage betroffen. Ein Ende der Kampfhandlungen ist aktuell noch nicht abzusehen.
Welche Auswirkungen hat der Ukraine-Konflikt auf den Versicherungsschutz der Unternehmen?
Lesen Sie die Einschätzung der SÜDVERS-Fachexperten zur aktuellen Lage:
Im Kontext der aktuellen Ereignisse rund um den Russland-Ukraine-Konflikt entstehen für international aufgestellte Unternehmen in diesen Tagen zahlreiche Fragen. Selbstverständlich hat der Konflikt auch Auswirkungen auf die in der Regel weltweit geltenden Versicherungsdeckungen.
Im Zentrum der Aufmerksamkeit stehen folgende Fragestellungen:
Zu beiden Fragestellungen muss darauf hingewiesen werden, dass diese im Markt sehr stark, entweder rückversicherungstechnisch getrieben oder aber regulatorisch bedingt sind und daher vielfach keine Möglichkeiten für individuelle Sonderlösungen bestehen.
Grundsätzlich müssen international aufgestellte Unternehmen die für sie relevanten Gesetze, Normen und damit auch die für ihr Geschäftsmodell relevanten Embargovorschriften kennen und beachten. Gerade in der jetzigen, sehr dynamischen Entwicklung empfehlen wir den Unternehmen ein engmaschiges Monitoring der Sanktionsregelungen.
Die derzeit seitens der internationalen Gemeinschaft umgesetzten bzw. in Umsetzung befindlichen Embargovorschriften sind äußerst vielfältig:
Sanktionen der EU gelten unmittelbar. Für dortige Versicherungsverbote bedeutet dies, dass sie stets gelten, also auch dann, falls der konkrete Versicherungsvertrag keine sog. Sanktionsklausel vorsieht. Derartige Sanktionsklauseln, die sich im deutschen Versicherungsmarkt in unterschiedlicher Reichweite finden, haben daher im Hinblick auf EU-Sanktionen lediglich klarstellenden Charakter. Ihr eigentlicher Regelungsgehalt betrifft allein Sanktionen anderer Staaten, beispielsweise der USA. Dem Großteil der derzeitigen Versicherungsverträge liegt folgende Musterklausel des Gesamtverbands der deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) zugrunde:
„Es besteht – unbeschadet der übrigen Vertragsbestimmungen – Versicherungsschutz nur, soweit und solange dem keine auf die Vertragsparteien direkt anwendbaren Wirtschafts-, Handels- oder Finanzsanktionen bzw. Embargos der Europäischen Union oder der Bundesrepublik Deutschland entgegenstehen. Dies gilt auch für Wirtschafts-, Handels- oder Finanzsanktionen bzw. Embargos der Vereinigten Staaten von Amerika, soweit dem nicht Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder der Bundesrepublik Deutschland entgegenstehen.“
Im Hinblick auf die Versicherungsverbote bzw. die Sanktionsklausel ist es wichtig zu wissen, dass sie nicht zur Unwirksamkeit des gesamten Versicherungsvertrages führen, sondern ausschließlich denjenigen Teil des versicherten Risikos der Deckung entziehen, der sanktioniert ist.
Von der EU verboten sind aktuell (Stand 08.04.2022) im Hinblick auf Russland Versicherungsverträge:
Betroffen sind in diesem Kontext insbesondere die Transportversicherung und die Ausfuhrkreditversicherung, ggf. aber auch andere Sparten wie die Haftpflichtversicherung.
Versicherungsverbote, die andere Staaten im Rahmen von Sanktionen gegen Russland ausgesprochen haben, sind aktuell nur aus dem Vereinigten Königreich bekannt (Versicherungsleistungen betr. Luft- und Raumfahrtgüter an eine mit Russland verbundene Person bzw. zur Verwendung in Russland). Im Übrigen läuft die Sanktionsklausel des GDV daher bislang leer. Bitte wenden Sie sich bei Fragen zu alternativ ausgestalteten Sanktionsklauseln an Ihren zuständigen Fachberater.
An dieser Stelle noch folgender Hinweis: Versicherungsverbote sind nur ein Unterfall der zahlreichen Verbote, welche die EU-Sanktionen vorsehen. Im Vordergrund stehen insbesondere Liefer- und Einfuhrverbote.
Aktuelle Informationen zu den tagesaktuellen Sanktionsregelungen, von denen Versicherungsverbote wie gesagt nur einen Teil darstellen, sind beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle abrufbar (www.bafa.de).
Lokale Versicherungsverträge kommen zwischen einem lokalen (russischen) Versicherungsnehmer (Tochtergesellschaften unserer Kunden) und einem lokalen (russischen) Versicherer zustande. Demgemäß können sie nicht Gegenstand der aktuellen europäischen Embargomaßnahmen sein und bleiben daher im bisherigen Umfang in Kraft.
Dies gilt zumindest so lange, wie nicht europäische oder auch russische Embargomaßnahmen den Betrieb lokaler Versicherungstöchter verbieten.
Nachdem zahlreiche Staaten zwischenzeitlich auch den Finanzsektor u. a. durch die Herausnahme russischer Banken aus dem SWIFT-System sanktioniert haben, besteht unabhängig der Frage, inwieweit der Versicherungsschutz für russlandbezogene Risiken fortgilt, die Herausforderung, dass Versicherungsleistungen nicht mehr ohne Weiteres nach Russland transferiert werden können.
Hierzu positioniert sich der Versicherungsmarkt derzeit noch nicht. Es ist – Stand heute – davon auszugehen, dass etwaige Leistungen, wenn dann nur in Deutschland zur Auszahlung kommen werden.
Aktuell überschlagen sich die Meldungen von Unternehmen, die aus Solidarität mit der Ukraine ihr Russland-bezogenes Engagement (Exporte nach Russland oder Tochtergesellschaften in Russland) beenden.
Daneben sind zahlreiche Unternehmen entweder schon heute von Lieferengpässen in oder aus Russland betroffen oder aber von solchen Lieferengpässen akut bedroht.
In der Folge drohen z. T. nicht unerhebliche Ertragsausfälle oder -einbrüche, die über herkömmliche Ertragsausfallversicherungen jedoch nicht abgesichert sind, da es an der hierfür notwendigen Deckungsvoraussetzung des „versicherten Sachschadens“ fehlt.
Auf dem Gebiet der Ukraine herrscht Krieg. Zu allen Versicherungssparten mit weltweitem Geltungsbereich stellt sich daher für die Unternehmen die Frage, in welchem Umfang für Versicherungsfälle, die unmittelbar oder mittelbar durch Krieg bzw. kriegsähnliche Handlungen oder Ereignisse verursacht wurden, Versicherungsschutz besteht.
Um unkalkulierbare Kumulrisiken für die Versicherungswirtschaft zu vermeiden, werden Schäden durch Krieg bzw. kriegsähnlichen Ereignissen (neben anderen politischen Risiken wie z. B. Bürgerkrieg, innere Unruhen, Streik, Maßnahmen von hoher Hand) grundsätzlich vom Versicherungsschutz ausgeschlossen.
Diese Risikoausschlüsse gelten im Regelfall weltweit ohne regionale Einschränkung und wirken daher auch insbesondere auf dem Gebiet der Ukraine und alle dort belegenen oder befindlichen Risiken.
Teilweise gibt es spartenbezogene Sonderregelungen, die in der jeweiligen spartenspezifischen Betrachtung weiter unten erörtert werden.
Schäden durch Kriegsereignisse sind in der Sach- und Ertragsausfallversicherung ohne Rücksicht auf mitwirkende Ursachen vom Versicherungsschutz grundsätzlich ausgeschlossen. Dies betrifft sowohl unmittelbare Schäden durch Zerstörung als auch mittelbare durch kriegsbedingte Betriebsschließungen und hierdurch bedingte Ertragsausfälle.
Die allgemeinen Ausführungen bzgl. Sanktionen gelten auch für die Sach- und Ertragsausfallversicherung.
Die allgemeinen Ausführungen bzgl. Sanktionen und Risikoausschlüsse bzgl. Krieg gelten auch für die Haftpflichtversicherung.
Die Kriegsdeckungen im Rahmen der Kriegsklausel in der Warentransportversicherung gelten nur für den Fall, dass Ladung auf Schiffen oder in Flugzeugen beschädigt wird. Für solche Beförderungen besteht auch für Kriegsrisiken voller Versicherungsschutz im Rahmen unserer Policen.
Krieg an Land ist üblicherweise nicht gedeckt!
Die Kriegsklausel enthält ein Sonderkündigungsrecht für den Versicherer mit einer Frist von 2 Tagen, um auf Änderungen der Lage reagieren zu können. Die Versicherer haben zwischenzeitlich flächendeckend von Ihren Sonderkündigungsrechten Gebrauch gemacht, so dass die Gefahren des Krieges, von Streik und Aufruhr sowie der Beschlagnahme auf dem Staatsgebiet und in den Hoheitsgewässern der Ukraine, in Teilen Russlands und teilweise Weißrusslands zumeist nicht mehr versichert sind! Ein Wiedereinschluss ist in Einzelfällen vor Transportbeginn mit vorheriger Anmeldung jedes Transportes, der Vereinbarung einer Zusatzprämie und der Zustimmung des Versicherers möglich.
Für bereits begonnene Transporte und Lagerungen gilt dieses Sonderkündigungsrecht nicht!
Reine Verspätungsschäden also Folge von Reiseverzögerungen aufgrund der Kriegslage sind in der Transportversicherung auch im Rahmen der Vermögensschadensklausel nicht gedeckt, da hier ein expliziter Ausschluss für die Gefahren des Krieges, Bürgerkrieges oder kriegsähnlicher Ereignisse besteht. Dies kann aber gegebenenfalls in einzelvertraglichen Fällen anders geregelt sein.
Mehrkosten durch Routenänderungen oder notwendige Zwischenlagerungen können im Einzelfall und nur nach Abstimmung mit dem jeweiligen Versicherer als Kosten für die Schadenabwendung ersatzpflichtig sein. Bitte stimmen Sie sich in jedem Fall vorab mit dem Versicherer und/oder SÜDVERS hierzu ab!
Die allgemeinen Ausführungen bzgl. Sanktionen gelten auch für die Transportversicherung.
Die allgemeinen Ausführungen bzgl. Sanktionen und Risikoausschlüsse bzgl. Krieg gelten auch für die Technischen Versicherungen.
Die politischen Gefahren Bürgerkrieg, Innere Unruhen, Streik werden in der Maschinenversicherung in der Ukraine und Russland aktuell von den Versicherern gekündigt. Hintergrund ist die zum Teil unscharfe Abgrenzung zwischen den einzelnen Begriffen Bürgerkrieg, Unruhen und Kriegsereignisse.
Mit den aktuellen Sanktionen will die westliche Welt ganz bewusst die Luft- und Raumfahrtindustrie in Russland schwächen. Dies geschieht dadurch, dass es nicht nur verboten ist, Luft- und Raumfahrzeuge sowie Teile davon (gem. KN-Code 88) nach Russland zu liefern, sondern dass es darüber hinaus auch verboten ist, Versicherungen in Bezug auf Luft- und Raumfahrzeuge sowie Teile davon bereitzustellen.
Dies umfasst sowohl alle produktbezogenen Versicherungen wie z. B. die Produkthaftpflichtversicherung oder die Transportversicherung als auch die Haftpflicht- und Kaskoversicherungen für den Betrieb der Flugzeuge in Russland an sich.
In herkömmlichen Gruppen-Unfallversicherungen besteht Versicherungsschutz im Regelfall nur für in Deutschland angestellte Mitarbeiter*Innen deutscher Unternehmen (in Ausnahmefällen auch für im EU-europäischen Ausland angestellte Mitarbeiter*Innen). In diesen Konstellationen besteht somit das Risiko, von Kriegsereignissen auf Privat- oder Dienstreisen (in der Ukraine) betroffen zu sein.
Standardbedingungen halten für Unfälle durch Kriegsereignisse lediglich Versicherungsschutz für einen kurzen Zeitraum (7-21 Tage) bereit, wenn versicherte Personen, die sich im Ausland befinden, dort vom Ausbruch eines Krieges überrascht worden sind.
Erweiterte Gruppen-Unfall-Konzepte (wie bei SÜDVERS) sehen darüber hinaus die Mitversicherung des sog. passiven Kriegsrisiko vor. Danach besteht Versicherungsschutz für Unfälle durch Kriegsereignisse, unter den wesentlichen Voraussetzungen, dass
Zu diesen Deckungsvoraussetzungen ist zu beachten:
Das passive Kriegsrisiko hat – falls mitversichert – darüber hinaus im Regelfall separate Höchstentschädigungen und separate Kumulgrenzen je Vertrag und kann durch den Versicherer auch unterjährig mit einer Frist von z. B. 14 Tagen gekündigt werden.
SÜDVERS liegen zum heutigen Stand (01.03.2022) jedoch noch keine Kündigungen zum passiven Kriegsrisiko seitens der Versicherer vor.
Sprechen Sie Ihren zuständigen SÜDVERS-Fachberater gerne an, der Ihnen die konkret für Ihren Vertrag vereinbarten Regelungen erläutert.
Die allgemeinen Ausführungen bzgl. Sanktionen gelten auch für die Gruppen-Unfallversicherung.
In der D&O-Versicherung ist kein Ausschluss für Versicherungsfälle durch Krieg oder kriegsähnliche Ereignisse enthalten. Potenzielle Versicherungsfälle wären daher versichert, sofern nicht anderweitige Deckungseinschränkungen zum Tragen kommen.
Die allgemeinen Ausführungen bzgl. Sanktionen gelten auch für die D&O-Versicherung.
In der Cyberversicherung gibt es Deckungsausschlüsse für Krieg, jedoch mit ganz unterschiedlicher Reichweite:
Einige Konzepte schließen die Deckung bereits dann aus, falls der Hackerangriff mittelbar auf Krieg zurückzuführen ist. Ein unmittelbarer Zusammenhang (= mit kriegerischen Handlungen direkt gegen versicherte Unternehmen) ist in diesen Verträgen also nicht Voraussetzung. Dort bestünde also bereits dann kein Versicherungsschutz, falls dem Versicherer der Nachweis gelingen sollte, dass Russland den Hackerangriff gegen die versicherten Unternehmen anlässlich des Ukraine-Krieges veranlasst hat.
Sprechen Sie gerne Ihren zuständigen Fachberater bezüglich der in Ihrem Cybervertrag konkret vereinbarten Fassung der Kriegsklausel an!
Die allgemeinen Ausführungen bzgl. Sanktionen gelten auch für die Cyberversicherung.
Die Kreditversicherer passen aktuell den Limitbedarf auf die tatsächliche Ausnutzung an, reduzieren oder streichen den Versicherungsschutz für Risiken in der Ukraine, Russland und Weißrussland komplett.
Inwieweit dies bei einem Anhalten dieser kriegerischen Aktion auf den Fortbestand von Limitzeichnungen bei Anrainerstaaten wie z. B. den baltischen Republiken oder Polen haben wird, bleibt abzuwarten.
Deckungsstopp von Exportgarantie Deckungen des Bundes:
Seit dem 24.02.22, dem Start des russischen Angriffs auf die Ukraine hat die Bundesregierung die sogenannten „Hermes Deckungen“ für Russland und Belarus bis auf Weiteres ausgesetzt.
Diese Maßnahme macht es für die deutschen Unternehmen nun unmöglich, eine sogenannte politische Deckung in diesen Ländern abzusichern.
In Kombination mit den Maßnahmen der privaten Kreditversicherer bedeutet dies, dass Unternehmen aktuell keine Möglichkeiten der Absicherung von neuen oder zusätzlichen Deckungen in den betreffenden Ländern haben.
Sanktionen/Embargos:
Im Rahmen der Kreditversicherung werden Forderungsausfälle nur dann entschädigt, wenn durch die Lieferung bzw. erbrachte Dienstleistung nicht gegen auferlegte Sanktionen verstoßen worden ist. Es ist daher für Unternehmen aktuell besonders wichtig, sich vor der Lieferung nochmals über die aktuelle Situation zu informieren, um sicherzustellen, dass der Abnehmer nicht mittlerweile auf einer entsprechenden Liste vermerkt ist.
Es ist ebenfalls zu beachten, dass dieser Versicherungsausschluss im Kreditversicherungsbereich auch für Sanktionen gilt, die von Drittstaaten wie z. B. den USA verhängt worden sind.
Da die Situation „fließend“ ist, sich also jeden Tag ändern kann, ist es für die Unternehmen wichtig, die Lieferketten engmaschig zu prüfen, da dies ja auch Abnehmer betreffen kann, die nicht direkt in den Krisengebieten ansässig sind.
Auch in der Kfz-Kaskoversicherung sind Schäden durch Kriegsereignisse ausgeschlossen.
Wir empfehlen Ihnen daher derzeit von Fahrten in die Ukraine abzusehen.
In den meisten Ausland-Krankenversicherungen besteht Versicherungsschutz auch in Ländern, in denen es Unruhen oder Krieg gibt.
Eine Einschränkung der Leistungspflicht gibt es jedoch für Krankheiten und deren Folgen sowie für Folgen von Unfällen und für Todesfälle, die durch die aktive Teilnahme an Kriegsereignissen und/oder inneren Unruhen verursacht worden sind.
Vereinzelt gibt es Versicherer, die keine Leistung erbringen, wenn vom Auswärtigen Amt eine Reisewarnung für das jeweilige Land ausgesprochen wird. Dies ist in der Regel in den Versicherungsbedingungen dokumentiert.
Gerne können Sie Ihren SÜDVERS Fachberater ansprechen, sollten Sie konkrete Fragen konkret zu Ihrem Vertrag haben.