SÜDVERS im Interview: „Wir bleiben selbstständig“

Florian Karle, geschäftsführender Gesellschafter von SÜDVERS, spricht im Interview mit dem Versicherungsmonitor über die aktuelle Lage im Versicherungsgeschäft.

 

Nach über zwei Jahren Pandemie sitzt Geschäftsführer Florian Karle wieder in seinem Büro beim Makler SÜDVERS. Auch die Mitarbeiter sind wieder zurückgekehrt. „Die Regel ist zwei Tage Homeoffice, drei Tage Büro“, sagt er im Interview mit dem Versicherungsmonitor. Karle spricht über den aktuellen Zustand der Maklerbranche, erklärt, was er von Private Equity-Unternehmen hält und warum der von Russland geführte Krieg in der Ukraine den Beratungsbedarf der Kunden erhöht.

Die Konsolidierungswelle in der Maklerbranche wird noch auf absehbare Zeit anhalten. „Es ist unfassbar viel Geld im Markt, da wird noch einiges passieren“, sagt Florian Karle, geschäftsführender Gesellschafter des Maklers SÜDVERS aus Freiburg, im Interview mit dem Versicherungsmonitor.

Gesellschaften wie Tobias Warwegs GGW Holding, MRH Trowe und Ecclesia kaufen einen Makler nach dem anderen und machen sich dabei gegenseitig viel Konkurrenz. Bei der Konsolidierung in Deutschland spielen auch Private Equity-Investoren eine große Rolle, ihr Interesse an hiesigen Versicherungsmaklern ist riesig. So wird Warweg von HG Capital unterstützt, MRH Trowe von Anacap. Erst kürzlich haben der US-Investor Bain Capital, Canada Life sowie der Maklerpool-Manager und Dienstleister JDC ein Gemeinschaftsunternehmen gegründet [1], das Gewerbe- und Industriemakler in Deutschland und Österreich aufkaufen will. Und das Private-Equity-Unternehmen Warburg Pincus hat den Maklerpool Blau Direkt übernommen [2].

Karle beobachtet das Treiben mit Skepsis. „Es sollen erst einmal alle fusionieren, und dann schauen wir, wie viele noch in zehn Jahren da sind.“ Die Makler gewännen durch die Konsolidierung an Größe. „Das heißt aber nicht, dass sie besser sind.“

Aus Kundensicht findet er das Private Equity-Modell problematisch. „Die Frage ist, ob die Private-Equity-Investoren das Geschäftsmodell der Makler wirklich verstehen“, sagt Karle. Als Makler müsse man nah am Kunden sein. „Kunden sind keine Subjekte – sie wollen sich individuell betrachtet und beraten fühlen.“ Es werde sich zeigen, ob das System nicht nur geldgetrieben sei, sondern auch entsprechend dem originären Geschäftsmodell liefern könne. „Ich bin da skeptisch“, betont Karle.

Angesichts der Menge an Kapital, das sich im Umlauf befindet, würde er es begrüßen, wenn nicht nur Geld in Makler fließt, sondern auch in neue Risikoträger. „Das wäre ein guter Weg, um neue Kapazitäten zu schaffen“, sagt Karle. „Das würde auch den Kunden helfen. Wir sehen schon manche Einschränkungen, die nicht guttun.“

Das eigene Unternehmen zu verkaufen, steht für ihn nicht zur Debatte. „Als Familienunternehmen wollen wir eigenständig bleiben“, sagt er. Seine 19-jährige Tochter möchte Betriebswirtschaftslehrestudieren und die Nachfolge antreten – ein wichtiger Schritt, um als Familienunternehmen bestehen zu bleiben. Für sein Unternehmen sei Geld nicht der Antreiber, betont Karle. „Wir wollen etwas erschaffen im Markt, und solange das in Eigenständigkeit geht, wollen wir das beibehalten.“ Einen Private Equity-Investor im Haus kann er sich nicht vorstellen. „Wir wollen kein fremdes Management, das uns im Tagesgeschäft Vorgaben macht.“

Verkaufen nein, kaufen ja

Statt sich kaufen zu lassen, will SÜDVERS lieber selbst Makler erwerben. „Wir kaufen Firmen zu, die zu uns passen und für unsere Kunden einen Mehrwert generieren“, erläutert Karle. Mitte Juli 2021hatte der Makler über seine neu gegründete Tochtergesellschaft SÜDVERS International 65 Prozent
an dem Schweizer Makler Assicura AG übernommen. [3] Einen Monat zuvor hatte SÜDVERS bereits die PBG Pensions-Beratungsgesellschaft mbH aus dem südhessischen Idstein geschluckt [4], einen Spezialisten für betriebliche Altersversorgung und Zeitwertkonten.

Die Schweiz sieht SÜDVERS als einen besonders attraktiven Markt, und auch in Österreich würde der Makler gern weiterwachsen. Karle möchte zudem außerhalb des deutschsprachigen Raums, der sogenannten DACH-Region, expandieren – etwa nach Spanien, Italien und in die Niederlande. Auch dabei stehen Zukäufe im Mittelpunkt. „Wir kaufen eine Basis und entwickeln sie weiter“, erklärt der Geschäftsführer. Frankreich kommt für ihn allerdings nicht in Frage. „Der französische Markt ist sehr komplex“, sagt er. Die Makler dort machten rund die Hälfte ihres Geschäfts mit Kranken- und Lebensversicherungen, die staatlichen Eingriffen ausgesetzt seien. „Zum Leben ist es dort toll, doch um Geschäfte zu machen wahnsinnig mühsam“, sagt Karle. Hierzulande hat sich SÜDVERS etwas von seinem Regionalitätsprinzip gelöst und richtet seinen Fokus verstärkt auf ganz Deutschland – auch um leichter Fachkräfte gewinnen zu können [5].

Investition in Cyber-Start-ups

SÜDVERS investiert auch fleißig in Start-ups. Vor allem interessieren den Makler Firmen, die ihren Fokus auf Cyber legen, insbesondere die Themen Prävention und Forensik. Insgesamt sind die Freiburger an zehn Start-ups direkt beteiligt und an 40 Unternehmen indirekt über Venture Capital-Fonds. Sie stammen aus Deutschland, den USA und Israel. „Das sind unsere drei Kernmärkte“, sagt Karle. Unternehmen aus den Niederlanden und aus Frankreich findet er auch interessant. „Da haben wir aber noch nicht investiert.“

In der Start-up-Szene werden viele Unternehmen stark überbewertet, findet Karle, sowohl bei Insurtechs als auch bei Fintechs. Der neueste Trend: Versicherungsmakler, die im Kerngeschäft klassisch an Industrie und Mittelstand verkaufen, präsentieren sich als Insurtech, um dadurch eine höhere Bewertung zu erhalten. Das Kerngeschäft sei aber das Gleiche.

Mit dem Ergebnis für das Jahr 2021 ist Karle zufrieden. „Was Corona betrifft, ist diese Branche einer der Profiteure“, meint er. SÜDVERS kam zuletzt auf 600 Mio. Euro vermittelte Prämie im deutschsprachigen Markt und 70 Mio. Euro Courtage-Einnahmen – und will weiter zweistellig im Jahr zulegen. „Wir wollen neun Prozent organisch und drei Prozent anorganisch durch Zukäufe wachsen“, kündigt Karle an. Krisen wie die Corona-Pandemie, aber auch der Ukraine-Krieg erhöhten den Beratungsbedarf der Kunden.

Ukraine-Krieg: Alles wird komplizierter

Erst stellten die Versicherer den Schutz für die Ukraine ein, dann machten die Sanktionen gegen Russland und die Gegensanktionen eine Versicherung von russischen Niederlassungen und Geschäften deutscher Firmen nicht mehr möglich. Nicht nur Kunden stellt das vor neue Herausforderungen. So müsse auch SÜDVERS Kunden auf potenzielle Verbindungen zu Personenabklopfen, die auf der Sanktionsliste stehen. „Wenn ein russischer Oligarch, der aber in der Schweiz wohnt, nur fünf Prozent der Anteile an einem Unternehmen hält, ist der ganze Kunde nicht mehrversicherbar“, erklärt Karle. Versicherer bereiten diese Anforderungen auch Kopfzerbrechen. „Versicherer sind auf Schnappatmung“, sagt er. „Sie müssen aufpassen, dass sie nichts falsch machen.“

Kunden müssen sich darauf einstellen, dass die Prämien für Industrieversicherungsschutz weitersteigen. „Die Preise und Prämien werden weiter steigen – marktbedingt sowie inflationsbedingt“, prognostiziert Karle. Die Industrieversicherer hatten zuletzt im Zuge der Corona-Pandemie die Preise für den Versicherungsschutz kräftig angehoben – und das nach Meinung vieler Versicherungseinkäufer zu spät und schlecht kommuniziert. Auch in diesem Jahr laufe es mit Blick auf die Versicherer wieder nach dem Motto ab: „Denn sie wissen nicht, was sie tun wollen“, glaubt Karle. SÜDVERS habe alle Versicherer aufgefordert, bis Juni dieses Jahres ihre Kernsanierungsforderungen für die kommende Erneuerungsrunde abzugeben. Einige Versicherer hätten sich zurückgemeldet, aber der Großteil folge wahrscheinlich auch in diesem Jahr viel später. Klar ist aber schon: „Wir rechnen durchgängig mit steigenden Preisen, sei es in der Sach- und der Betriebsunterbrechungsversicherung, in Haftpflicht und D&O oder in Cyber.“ Auch das erhöhe den Beratungsbedarf der Kunden massiv.

Schwierige Cyberversicherung

Besonders schlimm ist die Lage in der Cyberversicherung. Dort sind die Versicherer wegen hoher Schäden extrem vorsichtig geworden. „Die Kapazitätsprobleme in der Cyberversicherung sind massiv“, sagt Karle. Einige Unternehmen bekommen gar keine Deckung. „Es gibt industrielle Betriebe mit einer heterogenen EDV-Landschaft, die der Versicherer ablehnt und keinerlei Angebot erstellt.“ So etwas sei ihm in anderen Versicherungssparten noch nicht untergekommen.

SÜDVERS sieht sich selbst gegenüber Cyberangriffen gut gerüstet. Doch es bleibe eine gewisse Angst, irgendwann selbst Opfer eines Hackerangriffes zu werden. „Wir sehen bei den Kunden wie schnell das gehen kann“, sagt er. Der Makler führt in regelmäßigen Abständen Präventionsschulungen durch. Zudem wird innerbetrieblich viel über das Themagesprochen, es gibt interne Anweisungen mit Dos und Don’ts, und die IT-Abteilung wurde sensibilisiert. Außerdem habe SÜDVERS darauf geachtet, dass es keinen Wildwuchs bei den IT-Landschaften gibt und Mitarbeiter auch remote aus dem Homeoffice mit der gleichen Ausrüstung arbeiten.

Bei den großen Konsolidierern in der Maklerbranche sieht er das Thema Cybersicherheit kritisch. „Je globaler und fragmentierter ein Unternehmen unterwegs ist durch diese ganzen Zukäufe, je mehr ist aus unserer Sicht die Gefahr da, von außen attackiert zu werden“, glaubt Karle. Manche ließen 30 bis 40 Firmen nebeneinander bestehen. „Sie haben dann 28 verschiedene IT-Systeme im Haus, 35 Mal die Nachfolge nicht geregelt und sechs verschiedene Datenbanken“, sagt er. So eine Situation wolle SÜDVERS bei seinen eigenen Zukäufen vermeiden. „Wir wollen das zentralisiert haben.“

Interview: Kendra Dana Roth und Friederike Krieger

Article from Herbert Frommes Versicherungsmonitor: https://versicherungsmonitor.de
URL to article: https://versicherungsmonitor.de/2022/07/26/suedvers-wir-bleiben-eigenstaendig/

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[1] ein Gemeinschaftsunternehmen gegründet:
https://versicherungsmonitor.de/2022/07/04/jdc-bain-capital-und-canada-life-wollen-makler-kaufen/
[2] hat den Maklerpool Blau Direkt übernommen:
https://versicherungsmonitor.de/2022/07/08/warburg-pincus-will-blau-direkt-uebernehmen/
[3] an dem Schweizer Makler Assicura AG übernommen.:
https://versicherungsmonitor.de/2021/07/15/suedvers-kauft-in-der-schweiz-zu/
[4] die PBG Pensions-Beratungsgesellschaft mbH aus dem südhessischen Idstein geschluckt:
https://versicherungsmonitor.de/2021/06/14/suedvers-kauft-bav-spezialisten/
[5] auch um leichter Fachkräfte gewinnen zu können:
https://versicherungsmonitor.de/2022/02/07/suedvers-reagiert-auf-fachkraeftemangel/
[6] Südvers: Mehr Risikotransparenz gefordert:
https://versicherungsmonitor.de/2022/04/22/suedvers-mehr-risikotransparenz-gefordert/
[7] Südvers rechnet mit Sammelklagen nach Corona:
https://versicherungsmonitor.de/2020/04/02/suedvers-rechnet-mit-sammelklagen-nach-corona/
[8] Versicherungsmonitor-Ranking der größten Industrieversicherungsmakler:
https://versicherungsmonitor.de/2021/09/17/makler-mitten-im-grossen-umbruch/