PV-Anlagen: Interessenkonflikt bei Sicherheitsabständen

Wer die Installation einer Photovoltaikanlage (PVA) plant, sollte sich vorab gut informieren. Zum Beispiel über geforderte Mindestabstände zu Dachaufbauten wie Rauch- und Wärmeabzugsanlagen (RWA) oder Lichtkuppeln.
Aus den Anforderungen an Mindestabstände ergibt sich ein grundlegender Interessenkonflikt: Durch einen unzureichenden Sicherheitsabstand zwischen PVA und RWA kann einerseits die Wirksamkeit von RWA beeinträchtigt werden. Wenn allerdings hinreichend große Abstände zwischen PVA und RWA eingehalten werden, reduziert dies andererseits die nutzbaren Flächen für die PVA und damit deren Energieausbeute.
Im 3-Fragen-Interview nimmt SÜDVERS Risikoexperte Dr. Michael Buser Stellung zu den Anforderungen an Mindestabstände und informiert, warum Fachleute davon ausgehen, dass sich trotz des Interessenkonflikts die Anforderungen an Mindestabstände zwischen PV-Anlagen zu Rauch- und Wärmeabzugsanlagen in der Zukunft möglicherweise verschärfen werden.

Welche Sicherheitsabstände müssen eingehalten werden?

M. Buser: Um im Sinne einer hohen Energieausbeute mit Photovoltaikanlagen möglichst viel Strom erzeugen zu können, müssen große Flächenanteile der Dächer für die PV-Anlagen bereitgestellt werden. Um diese großen Flächenbedarfe decken zu können, müssen die PV-Anlagen möglichst nahe an die RWA herangeführt werden. Andererseits ist zu berücksichtigen, dass für die Wirksamkeit von RWA der natürliche Luftstrom erforderlich ist. Die aerodynamischen Rahmenbedingungen auf dem Dach dürfen daher nicht durch Dachaufbauten, wie beispielsweise PVA, gestört werden.
Die Anforderungen für Mindestabstände zwischen Rauch- und Wärmeabzugsanlagen und Photovoltaikanlagen ergeben sich aus den geltenden technischen Richtlinien. Demnach muss ein Mindestabstand von 2,5 m eingehalten werden, sofern die Oberkante der PVA nicht höher als der Aufsatzkranz der RWA ist. Bei höheren PVA ist ein Mindestabstand von 5 m einzuhalten. Bei einer üblichen RWA würde das im ersten Fall pro RWA einen Dachflächenverlust für die PVA von über 40 m² bedeuten. Im zweiten Fall würde der Dachflächenverlust sogar über 140 m² betragen. Da bei den meisten Bestandsgebäuden pro 200 m² Dachfläche eine RWA gefordert ist, würde die Einhaltung des Mindestabstands im ersten Fall einem Dachflächenverlust für die PV-Anlage von mindestens 20 Prozent entsprechen. Im zweiten Fall wäre mit einem Dachflächenverlust von über 70 Prozent zu rechnen.

Welche Entwicklungen sind für die Zukunft zu erwarten?

M. Buser: Aktuelle Praxisversuche zum Nachweis der Wirksamkeit von RWA haben gezeigt, dass die bisher geltenden Anforderungen an Mindestabstände nicht immer ausreichen. Um die Wirksamkeit von RWA auch unter ungünstigen Bedingungen sicherstellen zu können, sind unter Umständen deutlich größere Abstände erforderlich als bisher angenommen. Entrauchungsversuche unter Realbedingungen haben gezeigt, dass bei Anwendung der aktuell geltenden Abstandsregeln die bauordnungsrechtlich geforderte Wirksamkeit zur Entrauchung des Objektes nicht gewährleistet ist. Insofern gehen Fachleute davon aus, dass sich trotz des Interessenkonflikts die Anforderungen an Mindestabstände zwischen PVA und RWA in der Zukunft möglicherweise verschärfen könnten.

Wie sieht es mit Dachaufbauten ohne sicherheitstechnische Funktionen aus?

M. Buser: Sofern die Dachaufbauten keine sicherheitstechnische Funktion erfüllen müssen (z. B. reine Lichtkuppeln ohne Entrauchung), konzentrieren sich die Anforderungen an Sicherheitsabstände auf die Frage, ob die Dachaufbauten aus nichtbrennbaren Materialien errichtet sind (keine zusätzlichen Brandlasten). Lichtkuppeln bestehen allerdings zumeist aus Kunststoffen, die einerseits brennbar sind und zudem häufig thermoplastische Eigenschaften aufweisen. Dadurch kann es beim Auftreffen von Funken zum Durchschmelzen und damit zum Brandeintrag durch die Dachhaut in das Gebäude kommen. Aus diesem Grund sind im Hinblick auf den Abstand zwischen Zündquellen (PVA) und Brandlasten (Lichtkuppeln), analog den Anforderungen innerhalb von Betriebsgebäuden auch auf dem Dach Sicherheitsabstände von mindestens 2,5 Metern einzuhalten.

Schlussbemerkung M. Buser:
„Mindestabstände zwischen PV-Anlagen und Rauch- und Wärmeabzugsanlagen liefern einen wichtigen Beitrag zur Brandsicherheit und sollten auf jeden Fall eingehalten werden.“