Nachdem sich die EU-Zahlungsverzugsrichtlinie 2011/7/EU vom 16.11.2011 zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr als eher „stumpfes Schwert“ im Kampf gegen verspätete Zahlungen in Europa erwiesen hat, veröffentlichte die Europäische Kommission am 12. September 2023 im Rahmen eines KMU-Entlastungspakets einen neuen Verordnungsvorschlag zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr, der die derzeit gültige Zahlungsverzugsrichtlinie ersetzen soll. Ziel dabei ist es, „… die Zahlungsdisziplin aller betroffenen Akteure (öffentliche Stellen, Großunternehmen und KMU) zu verbessern und die Unternehmen vor den negativen Auswirkungen von Zahlungsverzögerungen im Geschäftsverkehr zu schützen“. Die Europäische Kommission sieht bei diesem Thema Handlungsbedarf, weil die aktuelle Richtlinie weder ausreichende Präventiv- noch geeignete Abschreckungsmaßnahmen enthält und deren Durchsetzungs- und Rechtsbehelfsmechanismen unzureichend sind. Die Hauptursache für Zahlungsverzug seien Asymmetrien in der Verhandlungsmacht zwischen einem großen Kunden (Schuldner) und einem kleineren Lieferanten (Gläubiger), was häufig dazu führe, dass der kleinere Lieferant unfaire Zahlungsbedingungen akzeptieren müsse.
Die aktuell gültige EU-Richtlinie 2011/7/EU vom 16.11.2011 zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr beinhaltet folgende maßgebliche Punkte:
- Das vertraglich vereinbarte Zahlungsziel zwischen Unternehmen (BtoB) soll grundsätzlich auf maximal 60 Kalendertage beschränkt sein. Ausnahmen hiervon sollen nur zulässig sein, sofern sie nicht grob nachteilig für den Gläubiger sind (in Dtld. gemäß § 271 a I BGB).
- Das vertraglich vereinbarte Zahlungsziel zwischen Unternehmen und öffentlichen Stellen (BtoG) soll grundsätzlich auf 30 Kalendertage beschränkt sein. Ausnahmen hiervon sollen nur zulässig sein, sofern sie aufgrund der besonderen Natur oder der besonderen Merkmale des Vertrages objektiv begründet sind und 60 Kalendertage auf keinen Fall überschreiten (in Dtld. gemäß § 271 a II BGB).
- Bei Abnahme- und Überprüfungsverfahren darf die Frist dieser Verfahren grundsätzlich 30 Kalendertage nicht überschreiten. Ausnahmen hiervon sollen nur zulässig sein bei besonders komplexen Verträgen, wenn dies ausdrücklich im Vertrag und in den Vergabeunterlagen vereinbart ist und sofern dies für den Gläubiger nicht grob nachteilig ist (in Dtld. gemäß § 271 a III BGB).
- Der gesetzliche Zinssatz bei Zahlungsverzug soll mindestens 8 % auf den Basiszinssatz betragen (in Dtld. 9 % auf den Basiszinssatz gemäß § 288 II BGB).
- Pauschalbetrag bei Zahlungsverzug für Beitreibungskosten von mindestens 40.- € (in Dtld. gemäß § 288 IV BGB)
Der neue Verordnungsvorschlag zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr der Europäische Kommission vom 12. September 2023 sieht nun folgende maßgebliche Neuerungen hierzu vor:
- Ausnahmslose Begrenzung der Zahlungsfristen auf max. 30 Tage im B2B & BtoG Geschäft
- Ausnahmslose Begrenzung der Überprüfungs- oder Abnahmeverfahren auf max. 30 Tage
- Obligatorische und automatische Verzugszinsen bei Überschreiten der 30-Tages-Frist
- 50.- € pauschale Entschädigung für die Beitreibungskosten für jeden einzelnen verspäteten Geschäftsvorgang
- Neue Durchsetzungsbehörden mit weitreichenden behördlichen Untersuchungsbefugnissen und Sanktionsmöglichkeiten
Aufgrund des Charakters einer „Verordnung“, wäre diese neue Verordnung bei Inkrafttreten automatisch EU-weit einheitlich und direkt in allen EU-Ländern anwendbar, ohne dass sie in einzelstaatliches Recht umgesetzt werden muss.
Auch wenn das Ziel der Verordnung, einer unverzüglichen Zahlung, grundsätzlich unterstützt wird, lehnen Wirtschaftsverbände sowie der Bundesrat in seiner Sitzung vom 20.10.2023 die starre Zahlungsfrist von 30 Tagen und einen damit verbundenen weiteren Bürokratieaufbau ab. Für viele ist die Begrenzung auf maximal 30 Tage ein unverhältnismäßiger Eingriff in die Vertragsfreiheit bei Lieferverträgen. Für Unternehmen, die auf der Lieferantenseite bisher längere Zahlungsziele haben, wären die Auswirkungen auf die Liquiditätslage und das Working Capital immens. Der Finanzierungs- und Zinsaufwand vieler Unternehmen würde deutlich steigen. Dies würde sich wiederrum negativ auf das Rating auswirken und somit weitere Kostensteigerungen sowie einen schlechteren Zugang zu Finanzierungsquellen zur Folge haben.
Zudem muss man hierbei berücksichtigen, dass die Zahlungsziele außerhalb der EU größtenteils deutlich länger sind als 30 Tage. Dies würde Unternehmen in der EU im internationalen Wettbewerb mit Non-EU-Unternehmen schlechterstellen. Gemäß einer im März 2023 veröffentlichten Studie des globalen Kreditversicherers Allianz Trade zur weltweiten Zahlungsmoral mussten Unternehmen im Jahr 2022 weltweit durchschnittlich 59 Tage auf ihr Geld warten. 17 % der Unternehmen weltweit wurden sogar erst nach 90 Tagen bezahlt, bei 42 % waren es mehr als 60 Tage.
Der Verordnungsvorschlag wurde mittlerweile im Binnenmarktausschuss des Europäischen Parlaments am 20.03.2024 mit folgenden Änderungsvorschlägen für mehr Flexibilität angenommen:
- Bei B2B Geschäften sollen Zahlungsfristen von bis zu 60 Kalendertagen möglich sein,
sofern dies ausdrücklich im Vertrag vereinbart wird. - Bei bestimmten B2B Geschäften im Einzelhandel (z. B. Spielzeug, Schmuck, Sportausrüstung oder Bücher) sollen Zahlungsfristen von bis zu 120 Tagen möglich sein.
Hierzu soll es Anwendungsleitlinien der Europäischen Kommission geben.
Im nächsten Schritt wird der Verordnungsvorschlag auf der Plenarsitzung im Europäischen Parlament vom 22. bis 25.04.2024 zur Abstimmung gestellt. Die Angelegenheit wird dann vom neuen Parlament nach den Europawahlen vom 06. bis 09.06.2024 weiterverfolgt. Wir werden die Entwicklung hierzu weiter genau beobachten und unsere Mandanten auf dem Laufenden halten.
Forderungsausfälle und überfällige Forderungen wird auch diese Verordnung nicht gänzlich verhindern können. Ein gut ausgebautes Credit Management ist daher auch zukünftig das beste Mittel, um Forderungsausfälle und Außenstandstage (DSO) gering zu halten. Um hier die richtigen Schritte und Maßnahmen einzuleiten, sollte sich jedes Unternehmen aufgrund der Vielzahl an Produkten und Dienstleistungen im Markt an einen Fachmakler und Berater wenden.
Wir, die SÜDVERS Kreditversicherungsmakler GmbH, sind darauf spezialisiert, Unternehmen aller Größenordnungen und Branchen bei der Implementierung und Umsetzung individueller Credit Management Lösungen zu beraten und zu begleiten. Neben der Forderungsausfallversicherung bedienen wir uns dabei auch aller anderen Produkte und Dienstleistungen des gesamten Credit Management Marktes.